STOCKHOLM. Der schwedische Bauernverband LRF beklagt eine dramatisch niedrige Selbstversorgung seines Landes bei wichtigen Lebensmitteln und macht dafür vor allem die heimische Politik verantwortlich. Die stellvertretende LRF-Vorsitzende Åsa Odell wies vergangene Woche darauf hin, dass der schwedische Selbstversorgunggrad im Nahrungsmittelsektor seit dem Beitritt des skandinavischen Landes zur Europäischen Union im Jahr 1995 drastisch gesunken sei. Im Gesamtdurchschnitt des Produktkorbs liege der Indikator derzeit nur noch bei rund 50 %. Dass dies nicht selbstverständlich sei, zeige das Beispiel des finnischen Nachbarn, der sich immerhin noch zu 80 % selbst mit Lebensmitteln versorgen könne.
Ursächlich für den Einbruch der schwedischen Erzeugung in den letzten 25 Jahren sind nach Einschätzung der LRF-Vizepräsidentin eine mangelnde Rentabilität der heimischen Agrarproduktion, aber auch ein fehlendes Interesse der schwedischen Politik an den eigenen Bauern. Eine fehlgeleitete Agrarpolitik habe dafür gesorgt, dass die schwedischen Landwirte unter einer größeren Abgabenlast und höheren Kosten als ihre Konkurrenten in anderen Ländern litten, monierte Odell. Komplizierte Vorschriften beim Tierschutz, im Baurecht und bei den Umweltauflagen hätten viele Landwirte vom Stallbau abgehalten oder den Ausstieg aus der Agrarproduktion gefördert.
Diese Bedingungen hätten dazu beigetragen, dass beispielsweise in der Provinz Norbotten binnen 30 Jahren zwei Drittel der dortigen Kartoffelerzeugung verschwunden und landesweit rund 600 000 ha an landwirtschaftlicher Nutzfläche aus der Produktion gefallen seien, verdeutlichte Odell. Nun bestünden im Zuge der Corona-bedingten Störungen in den internationalen Lieferketten insbesondere bei Obst und Gemüse ernste Versorgungsengpässe, die durchaus in der gesamten Saison anhalten könnten.
Vor diesem Hintergrund rief Odell die schwedische Politik auf, spürbare Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der schwedischen Lebensmittelversorgung zu treffen. Notwendig seien eine nachhaltige Politik für den Erhalt des schwedischen Agrarstandorts und Perspektiven für junge Landwirte. Kurzfristig müsse dafür gesorgt werden, dass die Versorgung mit Betriebsmitteln und Arbeitskräften in der saisonalen Landwirtschaft gesichert seien.